Mitakuye Oyasin = Lakota für „Alle meinen Verwandten“ oder „Ich bin mit allem Verwandt“
Heute möchte ich über diese zwei Worte und deren Bedeutung schreiben. Sie sind die ersten indianischen Worte, die mir zu Ohren kamen. Sie werden oft verwendet und ihre tiefe Bedeutung zu begreifen ist ein Prozess der seither andauert. Er führt mich immer tiefer auf den Weg der Selbstreflexion und Auseinandersetzung. Er lässt mich erkennen, wo ich das Prinzip begriffen habe und wo noch nicht.
Diese Worte rufen ins Bewusstsein, dass wir alle ein Teil der Welt sind. Dass der Schöpfungsfunke in allem existiert und uns miteinander verbindet. Wir sind bloß ein kleiner Teil von einem großen Ganzen und jeder trägt zu dem Befinden dieser Ganzheit bei.
In der westlichen Gesellschaft leben wir in einem pyramidalen System. Das Bedeutet, dass einige wenige sich ganz oben befinden und im Überfluss und Egoismus leben. Dieses Leben ist aufgebaut auf der Arbeit und dem Leid aller untenstehenden Abteilungen.
Diese streben, wenn sie können, nach oben um eben auch an der Spitze anzugelangen. Wir sind in dieses System hineingeboren und wurden darauf konditioniert. Dieses System ist das Gegenteil von Mitakuye Oyasin.
Es ist krank und erzeugt Krankheit.
Wenn ich alle meinen Verwandten als Gleichwertige und wertvolle Teile wahrnehme, so kann dieses leidvolle System nicht mehr funktionieren.
Bei den Lakota gibt es viele Gebete und Riten. Immer gilt hier ein Gesetz welches vorschreibt, dass man für alle andere Beten soll. Dieser Akt stellt sicher, dass für alle gesorgt wird - auch für einen selbst. In unserer Welt kümmert sich jeder um sich. Ehrliches Interesse an einem anderen ist meist nur vorhanden wenn man selbst wieder einen Nutzen daraus zieht. Bei den Traditionen der Lakota verhält es sich genau anders herum. Wird die heilige Pfeiffe geraucht, so wird dabei traditionell für alle Menschen jeden Alters, für die Tiere und die Pflanzenwelt gebetet. Die Geister, Ahnenund Mutter Erde werden geehrt. Dieser spirituelle Aspekt ist in vielen anderen Kulturen ebenso zu finden. Ist jemand auf der Suche nach sich selbst, so ändert er die Blickrichtung unweigerlich hin zu einem ganzheitlichen Denken. Hin zu Mitakuye Oyasin.
Das Gegenteil der Pyramide ist der Keis. Ein Kreis entsteht dann, wenn alle ihre individuellen Eigenschaften (er)leben dürfen und wirklich ein tieferes Verständnis unserer Selbst eintritt. Wenn wir den Fokus von unseren oberflächlichen Bedürfnissen und Anschauungen entfernen, gelingt es uns Abstand zu gewinnen. Abstand zu dem Trott unseres Alltags und dem unreflektierten Leben das wir führen. Wir müssen unseren Geist und Verstand klären und uns im großen Ganzen betrachten. Dann können wir uns fragen, wo wir das Prinzip von Mitakuye Oyassin leben und wo nicht. Behandle ich meine Mitmenschen wie meine Schwestern und Brüder? Erkenne ich die Heiligkeit in jedem Lebewesen? Schaffe ich es, meine Erkenntnisse über ein bewusstes und freies Leben, auch in die Tat umzusetzten? Wo fällt es mir schwer und warum? Was fehlt mir, um in diesen Prozess einzutauchen?
Diese Fragestellungen können dabei helfen, diese Worte zu begreifen. Sie sind mehr als nur ein Mantra für Schwitzhütten. Sie sind heilig. Denn sie beinhalten alle Tugenden, die ein freies und friedliches Leben braucht.
Es geht darum, die eigene Verantwortung wieder zu erkennen. Es geht um ein bewusstes Leben. Mit jedem Schritt in ein bewusstes Leben, kommt man dem Kreis näher. Wir sind die Spitze der Pyramide und können aktiv dazu beitragen, dieses System umzuformen. Wir sind nicht mittellos und ohne Rechte. Wir haben die Möglichkeit, uns jeden Tag darin zu üben. Es macht aber auch keinen Sinn, sich zu verurteilen und im Weltschmerz zu ertrinken.
Wir müssen nicht von heute auf morgen die Welt retten. Wir müssen nur einfach damit anfangen.
Wir müssen begreifen und bewusster werden. Wir müssen Abstand nehmen von unserem Leben um es zu überdenken und wenn nötig neu auszurichten. Wir entscheiden mit jeder Handlung die wir tun, in welche Richtung wir gehen. Wir finden durch diesen Abstand einen neuen und tieferen Zugang zu uns und unserem Leben. Der Abstand kann sehr schwer fallen. Dann ist die Frage, was einen hält. Wir bewegen uns in unserer gewohnten Komfortzone. Doch diese ist begrenzt. Wahres Wachstum und Heilung werden wir nur außerhalb unserer Komfortzone finden.
Mitakuye Oyasin beschreibt all dies und noch viel mehr.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen erkenntnisreichen Sommer!
Mitakuye Oyasin!
Dinah
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Joachim (Samstag, 02 April 2022 19:55)
Das sind sehr gute, inspirierende und ehrliche Worte. Danke.
koch@kochkyborg.de
Martina (Samstag, 03 Dezember 2022 11:20)
Danke schön! Dieser Beitrag berührt mich sehr und wird sicherlich lange nachklingen... Danke!